KommunikOS Kurzinterview: Carsten Rossi über Digitales Wohlbefinden

„Digitales Wohlbefinden“: Ein Thema für die Arbeit der Zukunft? Was genau können wir uns darunter vorstellen? Über diese und weitere Fragen haben wir in unserem KommunikOS-Kurzinterview mit Carsten Rossi, Geschäftsführer der Kölner Agentur Kammann Rossi gesprochen. Er hat uns unter anderem verraten, welche Relevanz digitale Nachhaltigkeit für das Kommunikationsmanagement in Zukunft bekommt, warum Digitales Wohlbefinden so wichtig ist und wie wir es konkret umsetzen können. Lest selbst …

KommunikOS: Bei der KoMaktuell 2021 warst du bereits als Speaker zu Gast und hast uns das Themenfeld Corporate Digital Responsibility (CDR) vorgestellt. Was genau bedeutet CDR? Und wie unterscheidet sich der Ansatz von der klassischen Corporate Social Responsibility (CSR)?

Carsten Rossi: CDR wird sicherlich langfristig ein Teil von CSR werden. Bis dahin jedoch ist es ein sich separat entwickelndes weil (hochdynamisches) Handlungs-, Reputations- und Kommunikationsfeld, in dem Unternehmen definieren (müssen), wie sie mit den positiven und negativen Auswirkungen der digitalen Transformationen auf Mitarbeitende, Kund*innen und Gesellschaft umgehen.


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CDR ist noch ein sehr neues Themenfeld. Das CDR-Framework, an dessen Entwicklung du mitgearbeitet hast, versucht Unternehmen die Umsetzung der digitalen Nachhaltigkeit zu vereinfachen. Das Framework besteht aus vielen verschiedenen Themengebieten wie z.B. künstlicher Intelligenz, Digitalem Wohlbefinden, Digitale Inklusion und Befähigung, Zukunft der Arbeit, etc.

Warum gibt es so viele einzelne Themenfelder? 

Das hat symbolische wie praktische Gründe. Symbolisch macht es Sinn, die einzelnen Handlungsfelder durch klare Benennung ins Bewusstsein zu rücken. Praktisch funktioniert das wie bei den SDGs: nicht alle Themen sind für alle Unternehmen gleich wichtig / interessant. Die richtige Auswahl und Fokussierung hilft dann, Ressourcen zielgerichtet einzusetzen und schneller Ergebnisse zu erzielen.


Du hast uns erzählt, dass eines deiner großen Herzensthemen Digitales Wohlbefinden ist. Im CDR-Framework wird es auch als Digital Wellbeing beschrieben. Der Aspekt des persönlichen Wohlbefindens und die Mentale Gesundheit sind vielen von uns geläufig.

Was genau können wir uns nun unter Digitalem Wohlbefinden vorstellen? Warum ist es deiner Meinung nach so relevant für Unternehmen?

Wir möchten nicht, dass Digitalisierung zum Selbstzweck wird, sondern daraufhin abgeklopft wird, ob sie den Menschen nützt – den Mitarbeitenden wie den Kund*innen.

Digitales Wohlbefinden - CDR Building Bloxx
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Dieses Themenfeld macht den positiven Beitrag der Digitalisierung zum persönlichen Wohlbefinden („Digital Wellbeing“) und der individuellen Entwicklung von Menschen zum essentiellen Maßstab bei der Bewertung des Erfolgs der digitalen Transformation. Anders gesagt: Wir möchten nicht, dass Digitalisierung zum Selbstzweck wird, sondern daraufhin abgeklopft wird, ob sie den Menschen nützt – den Mitarbeitenden wie den Kund*innen. Wir alle wissen, dass z.B. übermäßige Device-Nutzung physisch und psychisch schaden kann, selbst wenn die Absichten dahinter gut sind. Deshalb muss jede Maßnahme daraufhin abgeklopft werden, ob sie mehr nutzt als schadet. Sonst werden die Mitarbeitenden krank und die Kund*innen beginnen, dich zu „hassen“.


Wir leben nun bereits das zweite Jahr unter Corona-Bedingungen. Dazu zählen auch die Zunahme von Homeoffice, Online-Meetings und weniger persönliche Kontakte im Arbeitsalltag. 

Wie kann es Unternehmen deiner Meinung nach gelingen, das Digital Wellbeing von Mitarbeitenden zu steigern? Was sind deine persönlichen Handlungsempfehlungen: Wie kann Digitales Wohlbefinden in der alltäglichen Anwendung konkret aussehen?

Am Ende sind es im Grundsatz sehr einfache Maßnahmen, die wirklich helfen.

Hier eine kleine Auswahl:

  • Feste Zeiten zur Nichterreichbarkeit etablieren. Niemand darf immer online sein.
  • Kurze Erholungszeiten zwischen Videokonferenzen vorsehen. Die sind sehr intensiv und anstrengender als normale Meetings.
  • Sportprogramme und Workouts anbieten und proaktiv pushen.
  • Auch digital sozialen, ungefilterten und informellen Austausch ermöglichen.
  • Kommunikationspausen einlegen, soll heißen: Auch die offizielle Kommunikation braucht Ruhezeiten. Niemand will dauernd angesprochen werden. Das stresst.
  • Und natürlich die Klassiker: Anständiges Equipment, vom Tisch bis zum Device, wie im Büro.

Die Aufgabe der Internen Kommunikation für das Digitale Wohlbefinden

Bei der letzten Staffbase Fachkonferenz zu den Trends der Internen Kommunikation 2022 wurde die Kommunikationsabteilung als wesentlicher Game-Changer und Enabler genannt.

Kann die Kommunikationsabteilung – insbesondere mit Blick auf die Interne Kommunikation – bei der Etablierung und der Förderung von Digital Wellbeing im Unternehmen unterstützen? Wenn ja, wie? Hast du Tipps, Tricks, Empfehlungen für die IK?

Es müssen alle an einem Strang ziehen und die Prozesse tief in der DNA des Unternehmens verankern.

Ich bin da skeptisch. Natürlich kann sie sensibilisieren und in der Executives Communication dafür sorgen, dass „Vorgesetzte“ sensibel sind. Sie kann auch Mitarbeitende informieren und anregen. Aber um das Thema zu verankern, braucht es die Zusammenarbeit mit Top-Management, HR und IT. Da müssen alle an einem Strang ziehen und die Prozesse tief in der DNA des Unternehmens verankern.


CDR im KoMa-Studium integrieren?

Mit Blick in die Zukunft. Was sagst du: Macht es Sinn, das Themenfeld der Corporate Digital Responsibility (CDR) langfristig bereits im Kommunikationsmanagement-Studium zu thematisieren und fest zu verankern?

Ja. Auf jeden Fall. Digitalisierung ist nicht nur Start-Up Party, kein Abenteuer-Spielplatz für Wagemutige. Digitalisierung hat eine Menge Auswirkungen auf unseren (Arbeits-)Alltag.

Dafür müssen Kommunikationsmanager*innen sensibilisiert werden. Dafür gibt es das deutscheste Wort überhaupt:

TECHNIKFOLGENABSCHÄTZUNG

Klingt grauenhaft, wird aber zusehends nötig. Wir wollen nicht die digitale Transformation verhindern – aber leiten – zum Nutzen der Menschen.


Zum Abschluss möchten wir gerne wissen: Was möchtest du uns Kommunikationsmanagement-Studierenden mit auf den Weg geben? Gibt es Digital-Wellbeing-Maßnahmen, die wir bereits im Studium anwenden können/sollten?

Stellt Euch immer eine Frage: Muss ich diese Aufgabe digital erledigen oder gehts auch analog?

Sehr oft wird die Antwort „Nein“ sein. Digital ist tief verankert in unserem Leben.

Aber die paar Male, die die Antwort „Ja“ lautet, gewinnt ihr etwas Freiheit und Abstand und werdet feststellen, dass es ein Leben ohne Input und Device gibt. Am Ende werdet ihr besser schlafen, euch mehr bewegen, kreativer und so letztlich sogar erfolgreicher sein.

Danke Carsten für deine Zeit und die spannenden Einblicke!


 

Das Interview führte Lisa Steinbrück