KommunikOS Kurzinterview: Tim Proll-Gerwe über die Arbeit als Pressesprecher.

Tim Proll-Gerwe, Pressesprecher der thyssenkrupp AG für Recht und Compliance, über seine Arbeit als Jurist in der Kommunikation.

KommunikOS: Herr Proll-Gerwe, Sie sind Pressesprecher von einem Unternehmen, welches so groß und vielschichtig ist, dass man wahrscheinlich nicht auch nur ansatzweise erahnen kann, was am nächsten Tag passiert oder mit welchen Fragen die Presse auftaucht. Haben Sie bei einer Anfrage schon mal Panik bekommen?
Tim Proll-Gerwe: Panik noch nie, nein. Bei kritischen Fragen steigt der Druck natürlich, weil man einerseits schnell, andererseits wahrheitsgemäß antworten möchte. Aber ich mag das. Dieser Druck führt dazu, dass ich selber auf Hochtouren laufe. Dann kann aus einer Anfrage schon mal freudiger Nervenkitzel werden.

Eigentlich sind Sie examinierter Jurist, wie kommt man da überhaupt zum Beruf des Pressesprechers?
Im Laufe meines Studiums habe ich gemerkt, dass die klassische Tätigkeit als Anwalt oder Richter nicht mein Ding ist. Mich deswegen ganz von diesem Bereich entfernen wollte ich trotzdem nicht, ich wollte zumindest etwas anderes mit dem Studium anfangen. Ich habe also meine Examen gemacht, die Referendarzeit aber dafür genutzt, Erfahrung im Journalismus zu sammeln. Das reichte von der Fußball- bis zur Rechtsberichterstattung. So kam es, dass ich im Laufe der Jahre beim Radio, beim ZDF, bei Eurosport und bei einem Jura-Fachverlag gearbeitet habe.

„Juristen neigen aus ihrer Rolle heraus eher dazu, keine oder nur wenige Informationen rauszugeben.“

Und dann haben Sie die Seiten gewechselt: vom Journalismus hin zur Kommunikation und der Pressearbeit?
So könnte man es sagen. Wobei ich bei vielen meiner heutigen Aufgaben von der Erfahrung früherer Tätigkeiten profitiere.

Das heißt? Was macht ein Pressesprecher für Recht und Compliance? Mit dieser Berufsbezeichnung sind Sie in Deutschland ja eher die Ausnahme.
Wahrscheinlich nicht das, was die meisten vermuten würden. Tatsächlich habe ich in den knapp drei Jahren bei thyssenkrupp nur eine einzige Pressemitteilung geschrieben. Dafür schreibe ich Blogbeiträge und Reden, redigiere Interviews, organisiere Events oder plane neue – oft auch redaktionelle – Formate für oder mit unserem Rechtsvorstand, um das Thema Compliance in das Bewusstsein der 155.000 Kollegen bei thyssenkrupp zu rücken.

Das schafft man wiederum wie? Compliance und Recht sind ja keine Themen, die sonderlich attraktiv auf Mitarbeiter wirken.
(lacht) Das ist wahr, aber das heißt nicht, dass man daraus nichts machen könnte. In Jura stecken jede Menge spannende Geschichten, weil Jura in fast allem steckt, was unseren Alltag ausmacht. Außerdem kommt es immer darauf an, wie man ein Thema vermittelt. Wir haben beispielsweise vor zwei Jahren mal eine Tombola für alle Mitarbeiter veranstaltet, bei der Geschenke verlost wurden, die unsere Manager aufgrund von Compliance-Richtlinien nicht annehmen durften. Das war nicht teuer, kam aber sehr gut an und blieb im Bewusstsein der Mitarbeiter.

Was muss man Ihrer Meinung nach als angehender Kommunikationsmanager sonst noch mitbringen, um Pressesprecher werden zu können?
Das sind aus meiner Sicht vor allem drei Sachen: Neugierde, Empathie und wie gesagt ein Anspruch an Transparenz. Neugierde, um sich in das jeweilige Geschäftsfeld einzuarbeiten; Empathie, um verstehen zu können, was die Presse sowie andere Mitarbeiter und Kollegen erwarten und benötigen; und den Anspruch an Transparenz, um als Pressesprecher ein konstruktives und langfristig positives Bild in die Köpfe zu kriegen, selbst wenn das Unternehmen mal Fehler macht. Um Pressesprecher zu werden, muss man nicht mal aus der Kommunikation kommen, aber eben mit Herz bei der Sache sein. Noch ein bisschen Kreativität dazu und man hat alles, was man braucht.

Zum Abschluss: Was glauben Sie erwartet die Kommunikationsbranche im Jahr 2018? Womit müssen wir rechnen?
Die Flut an Informationen ist mittlerweile so groß, dass nur die wirklich guten Geschichten eine Chance haben, wahrgenommen zu werden. Wir Kommunikatoren müssen daher gute Geschichtenerzähler sein, die die spannenden Stories nicht nur finden sondern auch packend wiedergeben können. Damit das gelingen kann, müssen alle Abteilungen im Unternehmen noch weiter zusammenrücken und ihr Wissen miteinander teilen.

Das Interview führte Quentin Zwaneveld. 


Die thyssenkrupp AG ist ein deutscher Industriekonzern aus Essen, welcher 1999 aus der Fusion der Friedrich Krupp AG Hoesch-Krupp mit der Thyssen AG entstand. Die Geschäftsfelder des Konzerns sind vor allem die Stahlverarbeitung, Komponentenfertigung sowie Anlagen- und Aufzugbau. thyssenkrupp beschäftigt rund 155.000 Mitarbeiter und verzeichnete im Geschäftsjahr 2016/17 einen Umsatz von 41,5 Mrd Euro.