Buzzword des Monats August 2017: Viral

Buzzword des Monats August 2017: viralViral – Adjektiv, von “Virus”

Gesundheit! Bald klingelt der Herbst an der Agentur-Tür oder im Unternehmensfoyer. Einen Vorgeschmack auf die Jahreszeit des grauen Himmels, gelben Waldlaubs und latenter Erkältungszustände gibt unser Buzzword im August. Desinfizieren Sie also ihr Sprachzentrum, denn ab jetzt wird es VIRAL.

Beginnen wir unsere Anamnese doch thematisch passend im Internet, das sich im Krankheitsfall bekanntlich als vertrauenswürdige Quelle erwiesen hat. Wie eine schnelle Suche beim Doktor Online der Germanistik enthüllt, transportiert der Begriff „viral“ zwei Bedeutungen:

Viral
1. (Medizin) durch ein Virus verursacht
2. (EDV) durch Kontakte in den Social Media oder Ähnliches Verbreitung findend

„EDV“ scheint wohl eher eine allgemeinmedizinische Diagnose für das Leiden des viralen Marketings zu sein. Das ruft doch nach der Zweitmeinung vom Facharzt: Virales Marketing ist laut dem Wirtschaftslexikon eine Form digitaler „Mundpropaganda“ (Igitt, Originalformulierung!), bei der aufmerksamkeitsstarke, sprich ansteckende Inhalte von Nutzern ausgetauscht werden.

Virales Marketing vs. Parasitäres Marketing?
Als Erscheinungsform des Content Marketings sollen „virale“ Inhalte durch z. B. emotionale/moralische Aufladung die Customer/User/Menschen zur Verbreitung in sozialen Netzwerken anstiften. Wird eine kritische Masse erreicht, bleiben sogar Menschen ohne direkten Kontakt zum Ursprung von dem viralen Inhalt nicht verschont. In diesem Fall „geht etwas viral“.

Da die Nutzer dabei nicht nur Empfänger, sondern auch Verbreiter und Wirt für diesen Inhalt sind, trifft es auch „sich parasitär verbreiten” anstelle von „viral gehen“. „Parasitäres Marketing“ klingt zwar noch weniger appetitlich, diagnostiziert aber ähnlich treffend die Wirkungsweise. Schließlich fußt Erfolg von viralen Inhalten darauf, wie bereitwillig sie von Wirtstieren aufgenommen, durch Kommentare und eigene Adaptionen genährt und mit der Population geteilt werden. (Falls Sie diesen Begriff gerne einführen würden, berichten Sie uns von ihren Erfahrungen auf Twitter und Facebook! Nutzen sie gerne das Schlagwort #contentparasit.)

Operation erfolgreich, Glaubwürdigkeit ist tot
Um die Vivisektion des „viral“-Begriffs abzuschließen, kommen wir doch auf die zwei Bedeutungen und mögliche Schnittmengen zurück: Die Ärzteschaft wie auch die Kommunikationsprofession ist bei ihrer Arbeit auf Vertrauen und Glaubwürdigkeit angewiesen. Während die einen jedoch als vertrauenswürdiger, angesehener Berufsstand gelten, werden die Absichten von Auftragskommunikatoren bestenfalls skeptisch beäugt.

Dass Skeptiker jedoch mit Fug und Recht professionelle Kommunikatoren in eine Schublade mit Pharmavertretern stecken müssen, erklärt sich durch folgende Überlegung: Wie möchte man auch einem Berufsstand vertrauen, der seine Kommunikationsstrategie mit einem Synonym für die Verbreitung von Infektionskrankheiten bezeichnet?

Text: Jonas Bisschop

In der Beitragsreihe „Buzzword des Monats“ setzen sich Mitglieder unseres Vereins mit sprachlichen Phänomenen der Kommunikationsbranche auseinander. Nach Möglichkeit mit einem lachenden und einem Auge werden Catchphrases und Buzzwords auseinander genommen, um ihren Inhalt zu begutachten. Unser Ziel dabei ist, sprachliche Kreativität und Vielfalt zu promoten. Wir wollen nicht nur schnöden Kulturpessimismus ausleben, sondern dem Talk von PR, Marketing und Co. etwas Spin zu mehr Personality geben.