Mehrwert, der
Nomen, Maskulinum. Kompositum aus „mehr“ und „Wert“
Das Buzzword, das wir uns in diesem Monat zur Begutachtung ausgesucht haben, bietet durchaus eine gewisse Angriffsfläche. Tatsächlich würde ich jetzt gerne etwas zu Mehrwert und Rohkost und Vollkorn schreiben und dem gesunden, ganzheitlichen Ton, der bei diesen Begriffen mitschwingt. Da wir aber bereits eine Glosse mit Nahrungsmittelthema veröffentlicht haben, fällt diese Möglichkeit leider raus.
Gleichzeitig ist das Wort auch ein linguistisches Wundertier. Einerseits ist der Mehrwert ein Kernbegriff der Marx’schen Arbeitstheorie – als das, was einem Produkt durch die Leistung eines Arbeiters an Wert hinzugefügt wird. Andererseits ist er in gewisser Weise auch der Kapitalismusgedanke in einem Wort: die Zunahme und Steigerung von Wert, Gier und das Streben nach Wachstum. Sozusagen „Wall Street – Geld schläft nicht“ in Buchstabenform, die tintengewordene Quintessenz von Arbeit, Kapital und Profit. Zugegebenermaßen ist das aber auch nur ein Scheinwiderspruch.
Spaß bei Seite, Zeit für Tacheles
Neben diesen Zugangspunkten eröffnet sich eine weitere Möglichkeit. Bei etwas geringerer Witzedichte bleibt mehr Raum, um sich mit der Bedeutung des Begriffes für die Stellung von Kommunikation in Unternehmen auseinanderzusetzen: Mehrwert als etwas, das eine zentrale Bedeutung für den kommunikativen Berufsstand aufweist, als Argument für Nutzen und Sinn professioneller Kommunikation.
Der Frage nach dem Mehrwert von Kommunikation folgt die Gegenfrage, was Ihnen mehr wert ist
PR und Marketing können einen handfesten, messbaren und wichtigen Beitrag für das Unternehmen leisten. Sie können an der Wertschöpfung teilhaben. Und um Werte effizient und effektiv durch Kommunikation zu schöpfen, helfen Evaluation, helfen Vorabtests, helfen Monitoring und Kommunikationsplanung – also all die Dinge, die häufig als Erstes infrage gestellt werden, wenn es um Investitionen geht. Das ist schade, denn durch die Angst vor Investitionen in Kommunikation verliert sie Schlagkraft.
Der Mehrwertsbegriff verdeutlicht ein Kernproblem der Public Relations: Schwere Erfassbarkeit. Weil die Wirkung guter PR sich häufig erst auf lange Sicht abzeichnet und ein Organisationsumfeld in der Regel auch von diversen anderen Faktoren mitbestimmt wird, ist der tatsächliche Mehrwert schwer abzugrenzen und messbar. Wie lässt sich handfest und anschaulich – häufig gleichgesetzt mit quantifizierbar – darlegen, welchen Beitrag Rekrutierungs-PR für Arbeitskräfte, ein aktualisierter Krisenkommunikationsplan oder stetig verbesserte Pressearbeit für die Wertschöpfung leisten?
Die Vermessung der Welt
Natürlich lassen sich mit Schlüsselindikatoren (KPIs) und kontinuierlicher Evaluation Versuche unternehmen, um den Wertschöpfungsbeitrag von Kommunikation in Zahlen zu fassen. Aber dies gestaltet sich schwieriger als bei anderen Unternehmenstätigkeiten, z. B. weil die Effekte von Unternehmenskommunikation in vielen Dimensionen (medial, kognitiv, sozial, monetär-wirtschaftlich) betrachtet werden können sowie langfristig und im Wechsel mit anderen Faktoren bzw. Akteuren wirken.
Mehrwert ist zwar ein schönes Konzept, aber gerade in PR und Marketing schwer zu beziffern. Aber dennoch ist die Idee vom Mehrwert ein wichtiges Argument, um Kommunikation in Unternehmenskontexten zu emanzipieren.
Text: Jonas Bisschop
In der Beitragsreihe „Buzzword des Monats“ setzen sich Mitglieder unseres Vereins mit sprachlichen Phänomenen der Kommunikationsbranche auseinander. Nach Möglichkeit mit einem lachenden und einem Auge werden Catchphrases und Buzzwords auseinander genommen, um ihren Inhalt zu begutachten. Unser Ziel dabei ist, sprachliche Kreativität und Vielfalt zu promoten. Wir wollen nicht nur schnöden Kulturpessimismus ausleben, sondern dem Talk von PR, Marketing und Co. etwas Spin zu mehr Personality geben.