KommunikOS Kurzinterview: Henriette Viebig über Change-Kommunikation

Menschen sind Gewohnheitstiere. Wenn im Berufsleben Veränderungen auftreten, kommt oft Skepsis auf. Dabei sind Veränderungen heute fester Bestandteil in jedem Unternehmen. Alles entwickelt sich weiter – und das immer schneller. Aber wie gelingt es einem Kommunikationsmanager in einem Unternehmen, die Notwendigkeit eines Change-Prozesses zu erkennen und mit erfolgreicher Change-Kommunikation durchzuführen?

KommunikOS: Frau Viebig, beginnen wir mit einer allgemeinen Frage zu Ihrer Person.
Wo und in welcher Position sind Sie momentan tätig?
Henriette Viebig: Beim international agierenden Technologiekonzern Körber bin ich Leiterin Group Corporate Communications. In dessen Holding in Hamburg sind mein Team und ich verantwortlich für die ganzheitliche Planung und Steuerung der Unternehmenskommunikation. Das machen wir aber nicht allein, sondern gemeinsam mit einem Netzwerk von Kommunikationskollegen in unseren Geschäftsfeldern. Körber ist ein sehr vielfältiger Konzern, einen guten Eindruck davon bekommt man auf unserer Internetseite: koerber.com

Viele Kommunikationsmanagement-Studierende am Campus Lingen wissen, dass Sie auch Lehrbeauftragte für das Thema Change-Kommunikation sind. Kommen wir nun von der Theorie zu einem Blick in die Praxis: Welche Change-Projekte sind Ihnen bereits begegnet?
Das wäre eine sehr lange Liste, wenn ich die alle aufzählen würde. Dabei war schon alles von kleineren strukturellen Änderungen einer Organisation über umfassende Internationalisierung oder neue Teamstrukturen bis hin zu dem Ziel, ein neues Denken und Handeln in einem großen Unternehmen zu etablieren. Und auch hier wieder die Bandbreite von Umdenken und anders Handeln zu einzelnen Themen bis hin zu einem Kulturwandel in der Organisation. Konkret alles von mehr Achtsamkeit beim Informationsschutz über Zusammenlegung von kleinen Fachteams bis hin zu völlig neuen Formen der internationalen Zusammenarbeit in einer Organisation mit rund 150.000 Mitarbeitern.

Welche Rolle spielt Change-Kommunikation für Unternehmen?
Die, die man sie spielen lässt. Im Schulterschluss mit allen anderen Beteiligten, die es für nachhaltige Veränderungen braucht, kann die passende Kommunikation sehr viel erreichen und helfen, dass alles widerspruchsfrei wahrgenommen wird von denen, bei denen sich etwas verändert. Dazu braucht es jedoch eben diese „Erlaubnis“ zum Mitspielen, also Mitgestalten und Mitmachen. Was mich persönlich freut, ist, dass es mehr und mehr Normalität wird, die verschiedenen Fachdisziplinen, Funktionen und Gestalter von Veränderungen an einen Tisch zu holen, um gemeinsam die konkreten Ziele und die Wege dahin zu diskutieren, festzulegen und dann gemeinschaftlich an deren Umsetzung zu arbeiten.

Auf welche kommunikativen Herausforderung kann ein Kommunikationsmanager in einem Change-Prozess treffen?
Auch hier gibt es viele mögliche Antworten. Es kann passieren, dass Veränderungsprojekte abgebrochen werden oder dass es notwendig wird, die Ziele zu überdenken, weil sich in der Unternehmensumwelt intern oder extern Dinge anders als geplant entwickelt haben. Es kann zu Beschleunigungen kommen…. Wesentlich ist meiner Meinung nach der Faktor Mensch: Denn die Kommunikation in Organisationen befindet sich selbst in einem bereits seit einigen Jahren andauernden Veränderungsprozess. Wo früher gesendet und vielleicht gehört wurde, sind heute viele Beteiligte gleichzeitig auf Sendung, im Dialog und miteinander vernetzt. Das verringert die Steuerbarkeit von Kommunikation und bringt gleichzeitig viele interessante neue Kommunikationsmöglichkeiten ins Spiel. Da wir aber in unseren Zielgruppen der Kommunikation nicht nur Menschen haben, die mit dieser vernetzten Art des multiplen Dialogs quasi aufgewachsen sind, gilt es sehr wachsam zu sein, damit alle ausreichend zu hören bekommen und ausreichend gehört werden, wenn es um Veränderungen im Arbeitsumfeld geht. Das ist eine Herausforderung, die zur Daueraufgabe geworden ist.

Gibt es bestimmte Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, damit ein Change erfolgreich wird?
Das ist nicht einfach zu beantworten. Aus Wissenschaft und Praxis kennen wir inzwischen viele Erfolgsfaktoren – Einbeziehung, Mitgestaltung, Dialog auf Augenhöhe, Prozessbegleitung statt nur Ergebnisverkündung. Aber manchmal reicht es, einen Teil davon gut umzusetzen, manchmal scheint nicht einmal das komplette Set auszureichen. Es gibt immer wieder Veränderungen, bei denen der wahre Grund für Widerstand beispielsweise erst sehr spät klar wird. Dann sind alle Beteiligten gefordert, die begleitenden Prozesse anzupassen. Das ist nicht immer leicht. Genauso gibt es aber auch Veränderungen, bei denen die Analyse der Start-Situation auf größere Hürden hindeutet, die dann aber gar nicht eintreten. Auch hier ist es notwendig, den Prozess anzupassen. All das betrifft dann immer auch den Baustein Veränderungskommunikation.

Welche Tipps würden Sie angehenden Kommunikationsmanagern in Bezug auf Change-Kommunikation mitgeben?
Am besten immer den gesunden Menschenverstand anzuwenden und sich vorzustellen, wie es wäre, einer derer zu sein, bei denen sich etwas ändert oder ändern soll. Plus: alle Beteiligten zusammenbringen. Und zwar vom Auftraggeber oder Initiator der Veränderungen bis hin zu jeder Person oder jedem Team, das beitragen kann und muss, damit die Veränderung gelingt. Sollte jemand versuchen, einen Veränderungsprozess nur in der Kommunikation „abzuladen“ – es sei denn es geht um Prozesse oder Kanäle in der Kommunikation – dann sollten Sie schnell ins Gespräch gehen. Denn das wäre so, als wäre das Kommunikationsteam zuständig fürs Energiesparen in einer Produktion 🙂


Das Interview führte Christin Markus.