KommunikOS Kurzinterview – Marit Jensen über Nudging in der PR

Jeder ist ihm schon einmal begegnet, diesem „Nudging“. Aber kaum jemand weiß, was sich eigentlich dahinter verbirgt. Ganz einfach erklärt sind es Maßnahmen, die das Verhalten der Bürger in eine bestimmte Richtung „stupsen“ sollen. Beispielsweise steht das Obst in der Mensa vor den Süßigkeiten, damit die hungrigen Studierenden hoffentlich zum Apfel greifen statt zum Schokoriegel.

Marit Jensen, Juniorberaterin bei JP│KOM in Düsseldorf, hat uns bei unserer Veranstaltung „KoMaktuell – Trends im Kommunikationsmanagement“ das Thema Nudging näher gebracht. Aber was für eine Relevanz hat Nudging in der PR? Wir haben noch einmal nachgefragt.

KommunikOS: Marit, Nudging soll uns dazu bewegen, gesellschaftlich wünschenswertes Verhalten an den Tag zu legen. Wo genau bestehen da die Möglichkeiten für die PR?
Marit Jensen: Nudging lenkt den Fokus auf das menschliche Verhalten: Wann handelt der Mensch irrational? Wie kann er beeinflusst werden? Auf welche Weise kann ein Kommunikator gezielt auf Einstellung und Verhalten einwirken? Der Blick in die Verhaltensökonomik und die Psychologie bietet für Kommunikatoren eine spannende Perspektive, die sie in ihrer täglichen Arbeit sinnvoll nutzen können – auch wenn sicher nicht alles neu ist.

In welchem Kontext/Bereich wird Nudging bereits in der PR genutzt?
Da Nudging nicht nur eine Maßnahme darstellt, sondern eine ganze Vielfalt von Maßnahmen und Techniken, wird beinahe immer, wenn Kommunikation zum Einsatz kommt, „geschubst“. Es gibt zahlreiche Überschneidungen zwischen den Techniken, die beim Nudging zum Einsatz kommen, und den Theorien der Kommunikationswissenschaft. Ein Beispiel wäre der kommunikative Rahmen, also der Frame – ein Klassiker in der Kommunikationswissenschaft, der ebenfalls als eine Technik des Nudging gilt.

Kannst du uns ein konkretes Beispiel für Nudging in unserer Branche nennen?
Wenn wir im Bereich öffentlicher Kommunikation bleiben, zählt jede Präventionskampagne dazu. Ein Beispiel hierfür wäre „Kenn dein Limit“ gegen übermäßigen Alkoholkonsum – hier gibt es ein Bündel von Maßnahmen, die als Nudge gezählt werden können. Auch die abschreckenden Bilder auf den Zigarettenpackungen werden als Nudge klassifiziert. Oder ein Informationsbrief zum Organspenderausweis.

Was meinst du: Gab es Nudging immer schon oder ist es ein neues Phänomen?
Nudging gibt es, seit es Kommunikation gibt. Nudges setzen an bekannten Schwachstellen menschlichen Verhaltens an, die auch die Kommunikation schon lange für sich entdeckt hat. Das Beispiel Framing habe ich eben schon erwähnt. Auch das Elaboration Likelihood Model spielt in der Kommunikation wie beim Nugding eine große Rolle. Die Ziele stimmen ebenfalls überein: Genau wie das Nudging hat die Kommunikation das Ziel, Aufmerksamkeit zu erzeugen und im zweiten Schritt auf Einstellung und Verhalten einzuwirken. Zusammenfassend kann man sagen, dass es sich um einen neuen Begriff für bekannte Techniken handelt.

Sicherlich ist vielen Personen nicht bewusst, dass sie zu einer bestimmten Verhaltensweise gedrängt werden. Geht das nicht schon in Richtung Manipulation?Natürlich. Auch wenn es definitionsgemäß immer einen Ausweg gibt, wird ganz klar ein bestimmtes Verhalten gefördert und nicht alle Maßnahmen sind offen als solche erkennbar.

Wie weit darf deiner Meinung nach Nudging gehen und wo sind die Grenzen?
Ich persönlich sehe ein Problem in den verdeckten Nudges, die unbewusst ihre Wirkung entfalten. Realisieren die Bürger, dass sie in eine Richtung gesteuert werden, entsteht eine Reaktanz, die das Vertrauen nachhaltig schädigt. Daher sollten Kommunikatoren genau abwägen, wann sie welchen Nudge anwenden – und ob sie nicht vielleicht eine Grenze überschreiten.


Erklärung:

Framing
Beim Framing werden gewisse „Rahmen“ verwendet, um Inhalte und Botschaften zu vermitteln. Diese Rahmen knüpfen an Wissen und Erfahrungen an, um die neuen Inhalte einordnen zu können.

Elaboration Likelihood Model
Das Elaboration Likelihood Model beschreibt, unter welchen Umständen Personen beeinflusst werden können. Dabei kommt es vor allem darauf an, welche Bedeutung die Inhalte für die Person haben. Entscheidende Faktoren sind außerdem die Quelle der Botschaft, die Argumente, das Medium und der Kontext.


Das Interview führte Kira Konrad